Ausstellungen 2008
Markus Wirthmann
Äolische und andere Prozesse
22. Juni bis 31. August 2008
Einführung: Peter Lang
Naturwissenschaftliches Experiment und Kunst – ein Widerspruch?
Markus Wirthmann (D, 1963) zeigt in seinen Werken eine Synthese beider Disziplinen. Mit großer Einfachheit visualisiert er technische Abläufe und Prozesse, meist reduziert auf das grundlegende physikalische Ereignis, spielt damit und verwertet es zu ästhetischen Artefakten. Mittels Ventilatoren initiiert Wirthmann äolische Prozesse, also winderzeugte und –geformte Strukturen in feinem Sand und verändert seine gezeigte Installation auf diese Weise immer wieder. In neueren Arbeiten thematisiert er eher die Malerei: Es entstehen verschiedene Farbschichtbilder und Serien der sogenannte "Lackoolithen" und "Küchenwissenschaft". Letztere sind aus Schichtscans aufgebaut und rangieren zwischen Plastik und Bild. Im Kunstverein sind die Videoinstallation "Schwanensee", eine Version der äolischen Prozesse und die neue Serie „Küchenwissenschaft“ zu sehen. Markus Wirthmann lebt und arbeitet in Berlin.
Vortrag des Künstlers am 22.08. verbunden mit der Präsentation des Kataloges zur Ausstellung.
"Wandern und Fließen
Kann ein Bildhauer aus Wasser oder Sand Skulpturen formen? Er kann:
Mittlerweile sind 1,5 Tonnen feinster rötlicher Sand vom Dachboden aus durch ein kleines Loch in den hinteren Galerieraum in Neuenhaus gerieselt und bilden unter dem Einfluss von zwei Ventilatoren eine rhythmisch geformte Sandlandschaft die an Wüsten- oder Stranddünen erinnert. Äolische Prozesse, das sind in der Geologie etwa durch Windeinflüsse entstandene Geländeformen und Ablagerungen. Auch Wirthmanns raumnehmende Sandinstallation "Äolische Prozesse" wird als physikalischer Prozess durch die beiden Windgebläse in Gang gesetzt und gehalten – und soll in seinem temporären Erscheinen zu ästhetischen Ereignissen führen.
Wirthmann lässt dabei die verborgene Ästhetik "hinter den Dingen" und des Zufalls nicht für die Ewigkeit erscheinen, sondern nur für den Augenblick. Als eine Art Künstlerforscher bestimmt er lediglich die formale Ausgangslage oder eben die Versuchsanordnung – und überlässt danach alles dem unkontrollierten physikalischen Lauf der Dinge. An die Stelle des fest fixierten künstlerischen Endresultates tritt die ständige Veränderung mit faszinierenden und verblüffenden ästhetischen Ergebnissen. Wie der Wind die Wanderdünen fast unmerklich durch die Landschaft bewegt und für immer neue Strukturen aus Furchen und Wellen auf der Oberfläche sorgt, so verändert die leichte Brise aus den beiden Galerie-Gebläsen den Umfang und die Form des Werkes. Und gleichsam, wie das wandernde Sonnenlicht dem Sand in der Natur stets ein andersartiges Erscheinen gibt, so sorgt im Kunstverein das grelle Licht aus den Scheinwerfern für immer wieder neues Licht- und Schattenspiel – und neue Eindrücke der Wahrnehmung. Da kann das Installations-Material Sand noch so banal, die Licht-Gebläse-Apparatur noch so spröde sein: Dieses Werk, das permanente Bewegung in Bilder übersetzt und dabei zur Metapher existenzieller Erfahrung wird, lebt und überzeugt aus seiner genialen Anlage; wobei es mit seiner Eigendynamik für eine kraftvolle und poetische Ästhetik aus sich selbst heraus sorgt.
Alles wandert in dieser Sand-Installation – und alles fließt in dem Video "Schwanensee". Hier lässt Wirthmann (Jahrgang 1963) ein erngesteuertes Modellboot Kreise auf einem See ziehen. Im Fokus der Kamera ist hier vornehmlich die Wellen schlagende und Kreise ziehende Bewegung des aufgewühlten Wassers – wiederum ein unkontrolliertes und temporaries skulpturales Gestalten, gesteuert durch Kurs, Geschwindigkeit, Form und Gewicht des Bootes." Thomas Kriegisch (Auszug aus: Grafschaften Nachrichten, 23.08.2008)
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen
Das Projekt wurde gefördert durch die Niedersächsische Lottostiftung, das Land Niedersachsen, die Samtgemeinde Neuenhaus und die Firma Deppe Backstein-Keramik.